Am vergangenen Samstag ( 16.07.22) war die vielfach ausgezeichnete Autorin Jovana Reisinger in Rosenheim zu Gast. Im Hinterhof der Bibliothek_A stellte sie ihren für den Bayerischen Buchpreis nominierten Episodenroman Spitzenreiterinnen (Verbrecher Verlag) vor.
Das Medium des Monats Mai ist der Roman „Vom Untergang“ (Edition Nautilus) von Leonhard F. Seidl – anlässlich der Lesung mit dem Autor am Samstag, den 7. Mai um 18 Uhr.
„Vom Untergang“ spielt in Bayern im Jahr 1922. Der rechtskonservative Erfolgsautor Oswald Spengler schmiedet geheime Pläne für eine Lenkung der Presse. Gemeinsam mit Forstrat Escherich, dem Gründer einer militanten Bürgerwehr, und Gumbrecht, einem mächtigen Fürther Spiegelfabrikanten, will er die öffentliche Meinung in der jungen Republik beeinflussen. Emma, Gumbrechts Sekretärin und Geliebte, ist die Tochter des Anarchosyndikalisten Fritz Oerter. Eigentlich hat sie genug von Politik und auch von ihrem Freund, dem Sozialdemokraten Max Schmidtill. Doch dann liest sie einen Brief, der nicht für ihre Augen bestimmt war … Spenglers Komplott, der Mord an Schmidtill und diverse Figuren wie Fritz Oerter sind historisch belegt; der Roman basiert auf intensiven Recherchen und enthält zahlreiche Originalzitate aus Zeitungen, Sitzungsprotokollen und Briefen. Damit ist es ein „sprachlich beeindruckender Einblick in die Weimarer Innenpolitik“, eine „lehrreiche und anschauliche Lektüre“ (https://notwithoutmybooksblog.wordpress.com/2022/03/24/sprachlich-beeindruckender-einblick-in-die-weimarer-innenpolitik-leonhard-f-seidl-vom-untergang/?msclkid=546fbe96ae9611ec81451e5bbd16b2c4).
Zusätzlich zum „Vom Untergang“ hat Seidl unter dem Titel „Lebenslinien“ Fritz Oerters Autobiografie herausgegeben (Verbrecher Verlag). Fritz Oerter wurde am 19. Februar 1869 geboren. Der weltbekannte Fürther Anarchosyndikalist, Frauenrechtler, Antimilitarist und Antifaschist zählte laut Rudolf Rocker „zu einem der begabtesten Schriftsteller der anarchistischen Bewegung, der er bis zu seinem Lebensende treu geblieben ist.“ Oerter verstarb 1935 nach seiner Inhaftierung durch die Nazis. Fritz Oerters Texte und Analysen sind geprägt von großer Menschenfreundlichkeit und einem kritischen Blick auf gesellschaftspolitische Zustände.
(…) Das wahre Heldentum liegt nicht im Morden, sondern in der Weigerung, den Mord zu tun! Füllt lieber alle Gefängnisse und Zuchthäuser, und alle Irrenanstalten aller Länder, als für das Kapital zu morden und zu sterben!“
Ernst Friedrich in „Krieg dem Kriege“, S. 13
1924 erschien das Buch „Krieg dem Kriege“ des Anarchisten und Antimilitaristen Ernst Friedrich zum ersten Mal. Das Buch thematisiert mit drastischen Bildern den Ersten Weltkrieg. Heute 98 Jahre später, führt der aktuelle Angriffskrieg Russlands, wieder zu schrecklichen Bildern. Tausende Menschen sind bereits tot und verletzt, Hunderttausende sind auf der Flucht. Das Buch von 1924 zeigt mit einer klaren antimilitaristischen Sprache Krieg als eine unbeschreibliche Geschichte von Zerstörung, Blut und Hoffnungslosigkeit. Auf 250 Seiten sind Dokumente (vor allem aber Schwarz/Weiß-Fotografien) mit Kommentaren von Ernst Friedrich zu sehen. Der Bilderdiskurs beginnt mit Kriegsspielzeug, zeigt Opferfotografien von den Fronten des Ersten Weltkrieges und endet mit Bildern von Soldatenfriedhöfen. Die grauenerregenden Bilder von den Toten und Verwesenden zeigen die Logik der Kriegsverherrlichung und die Gewalt des Krieges in einer klaren Dialektik der Gegenüberstellung. (Triggerwarnung für alle, die das Buch zu Hand nehmen) Das durchgehend viersprachig (Deutsch / Französisch / Englisch / Holländisch) gedruckte Werk gilt als Meilenstein der Anti-Kriegsliteratur und ist aufgrund der aktuellen Ereignisse leider brandaktuell. Nach der ersten Auflage 1924 erschienen ab 1980 Neuauflagen des Buchs im Zweitausendeins-Verlag (in der Bibliothek_A findet ihr die 6. Auflage von 1981). Im Jahr 2016 wurde das Buch auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung aufgelegt und wird da wie folgt beschrieben:
„Die lakonischen, den Topos soldatischer Heldenmythen entlarvenden Kommentare Friedrichs verstärken die Wirkung der Bilderdokumentation, die wir Heutigen als kaum erträglich empfinden. „Krieg dem Kriege“ wurde weltweit beachtet und gilt heute als historisches Schlüsseldokument gegen den Militarismus“1
Auch wenn der „Vorwärts“ 1926 meinte „die Wirkung dieses Buches ist stärker als die von hundert pazifistischen Leitartikeln und Volksreden“, zeigt sich, dass „Schockbilder“ weiterhin Kriege nicht verhindern können. Und so ist auch heute wieder eine differenzierte Analyse des aktuellen Kriegsgeschehens nötig. Im Z (dem Standort unserer Bibliothek) findet deshalb am Sa, 23.04.22 ein Vortrag von und mit Roman Danyluk (Autor mehrere Bücher zur Geschichte und Gegenwart sozialer Bewegungen in der Ukraine – eines war u.a. unser Medium des Monats im März 20152) „Zum Ukraine Krieg“ statt. In der Veranstaltungsankündigung heißt es:
„Er wird in seinem Vortrag den historischen Background der Ukraine und die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen beleuchten, einem Staat im Spannungsfeld von russischen und EU-Interessen. Der Vortrag wird jenseits bipolarer Sichtweisen, Nationalismus und bürgerlicher Betroffenheit Fakten sammeln und nach Grundlagen suchen, wie ein besseres Leben für alle geschaffen werden kann.“2
Wir empfehlen Euch diese Veranstaltung und beenden unser Vorstellung des Mediums des Monats mit einem weiteren Zitat von Ernst Friedrich aus „Krieg dem Kriege“(S. 10):
„Drum laßt uns, die wir Kämpfer sind, im Kriege gegen Krieg, laßt uns die Kriegsursachen und Zusammenhänge untersuchen, damit wir – ausgerüstet mit der Waffe der Erkenntnis und dem scharfen Schwert des Geistes – siegreich diesen Kampf bestehn!“ 3